Dachgrten fr alle

Interview Dachgärten für alle in THCene

Betonschluchten und Concrete Jungle prägen das Stadtbild weltweit. In immer grösseren Städten gibt es immer weniger Grünflächen. Die “Grüne” Aktivistin Silke Kolwitz will zumindest in ihrer Heimatstadt Berlin diesen Trend umkehren und fordert “Dachgärten für alle!”

THCene: “Dachgärtenfüralle” hört sich nach blühenden Landschaften an, was steckt dahinter?

Lustig das du die blühenden Landschaften erwähnst, von mir ist auch die Idee vom Grünen-Plakat mit dem Hanffeld und dem Spruch “Wir versprechen grüne Landschaften”. Früher zu Hausbesetzerzeiten habe ich auch in einem Haus gewohnt wo man aufs Dach konnte, aber leider wurden die Dachluken verschlossen. Mir ist es halt aufgestossen das sich in Berlin die Reichen in die obersten Geschosse einkaufen und sich dort Dachgärten und Dachterrassen leisten, während die anderen unten im Schatten darben. Da bekommt das Wort “Oberschicht” gleich eine ganz andere Bedeutung! Mir war es wichtig das die Hausgemeinschaft einen Ort bekommt sich zu treffen und zusammen die Sonne genießen, sozusagen gegen die Vereinsamung in der Stadt, kombiniert mit der ökologischen Seite der Stadtbegrünung zur Verbesserung der Luft. Denn so ein begrüntes Dach ist auch ein Staubfänger, 1 qm begrüntes Dach bindet ca 500g Staub im Jahr. Und ca. 1,5 qm erzeugen den Sauerstoffbedarf eines Menschen. Diese Zahlen habe ich von der ufa-Fabrik, die ihre Gründächer von der FH Neubrandenburg untersuchen läßt. Zudem fungiert ein Dachgarten auch als Isolierung des Hauses und schützt die Dachhaut, und soll sogar gegen die Strahlung von Handymasten helfen. Da sich immer weniger Menschen einen Urlaub leisten können, bei den ganzen Steuerlasten, wäre es doch schön wenn man Urlaub auf Balkonien durch Urlaub auf Dachgartien erweitern könnte!

Sollen nur die Hausbewohner den Dachgarten benutzen können oder wären das auch Nachbarschaftsgärten ?

Zunächst einmal sollen es nur die Hausbewohner sein, damit sich eine Hausgemeinschaft bildet, sonst rennen ja alle gleich auf den ersten Dachgarten der entsteht. Aber wenn es auf allen Dächern Dachgärten gibt hat ja auch jeder einen. Zudem sollen öffentliche Gebäude mit Dachgärten versehen werden die dann auch für die Öffentlichkeit zugänglich sind, Das wäre doch cool wenn man beim Arbeitsamt auf dem Dachgarten warten kann statt über Stunden das schöne Wetter zu verpassen. Meine Idealvorstellung ist natürlich das man wieder auf dem Dach um den Block gehen kann, so wie es zu Nachwendezeiten war.

Wenn möchtest Du mit Deiner Aktion erreichen?

Zunächst einmal soll sich die Idee im größeren Freundeskreis verbreiten oder beim einfachen Mieter, damit die Leute sich einen Gemeinschaftsdachgarten auf ihrem Haus als ideale Wohnform vorstellen können. Die Leute sollen dann auch bei der Wohnungssuche nach einem Gemeinschaftsdachgarten fragen und ihre Vermieter ansprechen. Dann möchte ich eine Petition an den Bundestag und eventuell an verschiedene Landtage stellen, Berlin und Hamburg als Stadtstaaten wären da die erste Wahl. Dann käme Sponsorensuche bei Dachgartenbaufirmen, denn Webseite und die Aufkleber die ich gemacht habe kosten natürlich einiges.

Wie war bisher das Feedback?

Manche Leute verstehen die Aktion nicht sofort und sagen, ja, ich kann doch auch in den Park gehen. Komischerweise habe ich bei Männern manchmal eher eine abwehrende Reaktion, da springt der Revierinstinkt an, die wollen dann eher den Dachgarten nur für sich. Für solche Leute müßte man wohl Dachgartencubicles schaffen, wo jeder Mieter sein eigenes Gebiet hat. Manche haben Befürchtungen das es zu laut wird oder das dann alle an der Tür im vierten Stock wo sie wohnen vorbeirennen wo es doch so schön ruhig war. Dabei sind Leute im Hof viel lauter, weil dort die Wände als Schalltrichter wirken. Aber insgesamt finden die Leute die Sache gut. Dadurch das ich mich bei urbanacker, einer Initiative für interkulturelle Gärten, verlinkt habe sind die Polyluxer auf die Aktion aufmerksam geworden und habe sie im Fernsehen gezeigt. Das war natürlich 1a Werbung, so seit ihr ja auch auf mich aufmerksam geworden. Meine Lieblingsreaktion wäre natürlich ein Plakat von Seyfried. Und natürlich sind auch alle anderen Künstler hiermit aufgerufen, Postkarten oder Plakate, allgemein Bilder zu malen! Beim Computerspiel “Sims” gab es auch schon einen Dachgartenbauwettbewerb.

Berlin hat eine grosse Schrebergärtentradition, hier sollte Dein Konzept eigentlich auf fruchtbaren Boden fallen.

Tja, wäre schon toll wenn man für seinen Schrebergarten nicht mehr so weit rausfahren muß, sondern nur die Treppe raufgeht. Zudem muß die Idee ja vor allem bei den Hauseigentümern auf fruchtbaren Boden fallen, und da ist wahrscheinlich noch einiges an Überzeugungsarbeit und politischem Druck nötig. Und wahrscheinlich müssen jede Menge bürokratischer Hindernisse genommen werden.

Haben die Regierenden des Rathauses der Stadt schon irgendwie reagiert?

Ich habe sie noch nicht angesprochen, aber der Bürgermeister von Chicago hat sein Rathaus schon begrünt, warum nicht Wowi? Ein Berlin mit Dachgärten wäre doch even more sexy, oder?

Als ich von Deinem Projekt hörte, ging die Fantasie mit mir durch! Anstatt nur schöne Blumenlandschaften und Erholungsoasen auf den Dächern zu schaffen, könnte man auch Nutzgärten mit Nahrungsmitteln anlegen. Die moderne, ökologische Landwirtschaft bietet da eine Reihe von umsetzbaren Methoden an. Spielt der Anbau von Lebensmitteln bei Dir eine Rolle?

Wie gesagt, es ist wahrscheinlich zu wenig Platz, aber mal Kräuter, eine Tomatenpflanze oder wie ich letztens im Mieterecho gelesen habe Kartoffeln im Topf ziehen ginge schon. Ich stelle mir auch vor das da wo man aus dem Treppenhaus herauskommt vielleicht erst ein kleines Glashaus ist, wo man auch im Winter sitzen kann und die nicht winterharten Pflanzen unterstellt. Hanf müßte man wohl frühzeitig beschneiden damit er buschig wächst und am besten anbinden, denn auf dem Dach ist natürlich immer mächtig Wind, gerade jetzt mit der Klimakatastrophe.

Es scheint als fehle der Mut zur Utopie in unserer Gesellschaft und in der Politik. Wir akzeptieren zwar das unglaubliche Leid in der Welt und die falsche Richtung die vor allem die Industrienationen eingeschlagen haben, trauen uns aber nicht auch mal an das Gegenteil und Veränderung zu glauben. Leute wie Du, sind da die Aussnahme und Grund zur Hoffnung. Wo nimmst Du die Energie her, eine Veränderung in Bewegung zu setzen?

Tja, meine Energie kommt eigentlich aus der Krise. In dieser Zeit war mir Sonnenlicht als Antidepressivum sehr willkommen und so habe ich überlegt wie ich an diese Droge komme. Interessanterweise gibt es im Internet auch mehr Warnungen zu Sonnenlicht als Erwähnungen wie gesund Sonnenlicht ist, es grüßt die Sonnenmittelindustrie. Man sollte Sonne am Mittag meiden, schon die Inder sagten: “Only mad dogs and Englishmen go out in the midday sun.” Aber sonst hat Sonne jede Menge positiver Effekte, beugt Darmkrebs vor, hilft gegen Akne und Fußpilz und hält die innere Uhr auf Kurs. Empfehlen kann ich da als Quelle den Sonnenforscher Holick.

Besonders Jugendliche scheinen im Grossstadtdschungel immer weiter zu verrohen, frustrierter und gewaltbereiter zu werden. Denkst Du das der Umgang mit lebenden Pflanzen und das Anlegen einer Dachgartenanlage eine positive Alternative, zum abhängen auf der Strasse und im Einkaufszentrum darstellen könnte?

Auf jeden Fall. Ich stelle mir vor das die verschiedenen Generationen und Kulturen sich wieder auf dem Dach begegnen und eine soziale Gemeinschaft entsteht. Der flächendeckende Bau von Dachgärten würde natürlich auch jede Menge Beschäftigung schaffen, so gibt es wieder Ausbildungsplätze für Bauarbeiter und Landschaftsgärtner. Und auf so einem Dachgarten läßt sich bestimmt gut philosophieren für eine bessere Welt.

Neben “Dachgärtenfüralle!” engagierst Du Dich auch politisch und setzt Dich für eine neue Drogenpolitik ein. Bitte erzähle uns etwas dazu.

Mein Ansatz ist wie immer radikal, ich bin für eine Legalisierung aller Drogen und habe dazu auch Reden auf dem Hanfmove und der Hanfparade gehalten und diverse Pressemitteilungen verfasst. Denn ich glaube das eine Strafverfolgun einem Menschen, der ein Problem mit Sucht hat, nicht hilft, sondern die Situation nur prekärer macht. Sucht hat meistens ein tiefer liegendes Problem, was gelöst werden muß. Oft höre ich: Ja, der ist voll abgegangen auf Drogen, und dann kommt raus das ihn auch gerade die Freundin verlassen hat und er keine befriedigende Aufgabe hatte. Denn wie Freud sagte, Arbeit und Liebe sind die besten psychologischen Heilmittel. Wenn dies nicht möglich ist oder wenn der Drogenkonsument mit seinem regelmäßigen Konsum glücklich ist, wieso sollte er das ändern? Ein Forscher hat mal herausgefunden das ein Schuß Heroin wenn man es direkt importieren würde 50 Pfennig kosten würde, da gäbe es auch keine Beschaffungskriminalität. Und beim Kiffen muß eben jeder lernen, wieviel gut für ihn ist. Ich denke das gerade Jugendliche es wirklich schwer haben, Stichworte Jugendarbeitslosigkeit und Studiengebühren, und kann verstehen, das man sich dann lieber mit seiner Bong zurückzieht. Das ist auf die Dauer aber zu wenig, und wie man in Südamerika sieht ist ein politischer Umschwung auch möglich. Drogenpolitik war mir dann irgendwann zu wenig, und ich wollte einen Beitrag zur solidarischen Gesellschaft leisten. Ich habe mich erst viel mit Privatisierung beschäftigt. Und “Dachgärten für alle!” schien mir dann das Naheliegendste zu sein, im wahrsten Sinne des Wortes.

Kannst Du Dir vorstellen, dass es auch mal möglich sein wird, dass auch Hanf im grossen Stil auf Berlins Dächern blüht, wächst und gedeiht?

Ich kann mir das sehr gut vorstellen, habe von Bekannten gehört das so etwas schon praktiziert wurde. Erzeugen und konsumieren ohne große Wege, wenn das nicht ökologisch ist!

Danke für das Gespräch.